Montag, 17. Oktober 2016

Fieberwahn

Quinn sitzt neben meinem Bett und legt mir einen kalten Lappen auf meine heiße Stirn, ich habe Halluzinationen und stechende Kopfschmerzen.
Nach meinem letzten Zusammenbruch der sich in eine quälend lange Panikattacke verwandelt hat, weicht er mir nicht mehr von der Seite.
Nachdem ich aufgewacht bin, lag ich nicht in Jake's Bett, sondern auf dem Fußboden meines Hauses, auch das hatte zum Albtraum dazugehört.
Quinn ist nicht gestorben, Quinn hat mir keinen Abschiedsbrief hinterlassen.
Aber ich habe ihm eine scheiß Angst eingejagt, er hat geweint wie ein Schlosshund und versucht einen Krankenwagen zu rufen, aber hier funktioniert schon lange kein Telefon mehr und Netz hat man hier auch nicht. Hatte man noch nie.
Ich denke stets an meinen Freund, an unsere Versöhnung und die lieben Worte.
Ich muss vorsichtiger mit dieser Beziehung umgehen, sonst gleitet sie mir wie Sand aus den Fingern.
"Patch.. Patch.. wie geht es dir?"
Ich sehe ihn aus blutunterlaufenden Augen an, nicht mal ein Lächeln bekomme ich zustande.
"Normalerweise rettet der schwarze Hase mich immer", erwidere ich nur und Quinn scheint sichtlich verwirrt.
"Nur der schwarze Hase, Quinn."

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Nennt sich das Realität?

Ich fühle mich das erste Mal seit langem wieder richtig entspannt, die Albträume haben sich nicht wiederholt, ich habe kein Kopfweh mehr und mir ist auch nicht mehr übel. Quinn und ich sitzen auf einer Decke am See, die Winterjacken angezogen, mit Kaffee in der Hand.
"Ihr habt also geredet..", meint er leise und ich höre Erleichterung und Trauer aus seiner Stimme heraus.
"J-Ja", stammel ich und spiele mit meinen kalten Händen, nachdem ich die Tasse beiseite gestellt habe.
Mein Gesicht hat wieder Farbe, ich habe mir die Haare schneiden lassen und vernünftige Klamotten angezogen, ich gehe wieder joggen und verlasse regelmäßig mein Zimmer.
Quinn merkt, dass ich wieder für mich alleine Sorgen kann.
"Das freut mich."
Aus dem Augenwinkel sehe ich seine dunklen Augenringe, seine blasse Haut und seine müden Augen, ich sollte ihn fortschicken. Zurück nach Hause. Ich will ihn nicht verletzen.
"Quinn, hör zu-"
Er hebt die Hand und unterbricht mich.
"Lass mich zuerst", murmelt er.
"Weißt du.. ich habe diese Zeit mit dir echt genossen, wir haben viele Momente miteinander geteilt und auch so viel Spaß gehabt.."
Oh nein.
"Aber.. mir geht es nicht gut. Ich habe mich um dich gekümmert. Ich habe alles für dich getan und du bist so verflucht undankbar. Du hast ständig nur über dich und Jake gesprochen, du hast nur deinen Kummer gesehen, alles andere war egal."
Wieso tut mir mein Herz so weh?
"Deswegen wäre es besser, wenn ich gehe. Ich ertrage diese Situation nicht. Ich ertrage dich nicht."
Diese Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht und meine Augen weiten sich, als sich seine Hand auflöst.
"Qu-Quinn!", rufe ich panisch und springe auf. Er lächelt nur kühl.
"Sieh, was du angerichtet hast."

.. dann ist er verschwunden. Einfach so. Mein Herz rast, meine Ohren rauschen und ich höre ein verächtliches Lachen.
Bitte nicht. Nicht schon wieder.
Wie ein Irrer sehe ich mich um, aber ich entdecke niemanden.
"Du wirst sie alle verlieren. Alle, Patch."
Das ist Jacks Stimme, aber das kann nicht sein, er kann nicht hier sein, Jake hat gesagt er würde schlafen.
"Ich bin überall und nirgendwo. Du wirst mich nicht los."

.. schreiend wache ich auf. Meine Brust hebt und senkt sich schnell. Es hat nicht aufgehört. Es wird eher immer schlimmer.
"QUINN!", brülle ich, springe aus dem Bett und reiße meine Zimmertür auf, renne durch den langen Flur in das Zimmer welches ich ihm zur Verfügung gestellt habe und poltere gegen seine Tür.
"Quinn!", schreie ich und sinke an der Tür hinab, rappel mich wieder auf und schalte das Licht ein.
Ich entdecke einen Haarschopf und trete langsam näher, neben seinem Bett liegt ein Brief auf dem Boden. Ich kann kaum atmen.
"Quinn!", zische ich. Keine Reaktion.
Nervös hebe ich den Brief auf.

Patch.
Wahrscheinlich bin ich ein Egoist geworden. Ich habe gehört, dass du dich mit Jake vertragen hast, nach eurem Gespräch sahst du wirklich glücklich aus.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, aber all die Monate, ich habe kein ehrliches Lächeln von dir bekommen.
Jake sagt nur ein Wort und für dich ist die Welt wieder in Ordnung. Ich habe es dir nicht übel genommen, dass du nie nach meinem Wohlergehen gefragt hast, für mich war das okay.
Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich dadurch zu verlieren.
Du würdest mich nicht mehr brauchen.
Du hast ja ihn, mehr brauchst du nicht. Wahrscheinlich hättest du dich irgendwann umgebracht, hättet ihr nicht wieder zueinander gefunden. Auch das hätte ich nicht ertragen.
Ich habe keine Familie zu der ich zurückkehren könnte, ich hatte nur dich.
Und du hattest ihn.
Und bevor ich verlassen werde, verlasse ich lieber dich.
Ich war sowieso krank. Kaputtes Herz, kaputte Leber. Ich musste jeden Tag Tabletten nehmen. Wahrscheinlich ist dir auch das entgangen.
Naja. Jedenfalls wünsche ich dir noch viel Glück. Bitte streitet nicht mehr. Ich werde dich nicht noch mal retten können, Patch. Da musst du jetzt alleine durch.
Ich habe dich wirklich sehr geliebt.
Aber mein Kampf ist jetzt zu Ende.

Quinn.

Kurzschluss.
Der Rest passiert wie in Trance. Wie ich nach meiner Jacke greife, meine Schlüssel nehme und die Tür hinter mir schließe.
Abfackeln sollte ich dieses Haus. Es bringt mir nichts als Unglück.
Dennoch drehe ich mich auf wackligen Beinen um und begebe mich auf den Weg zu Noah.
Alles rauscht an mir vorbei.
Ich zwinge mich weiter zu gehen.
Und keine Ahnung wie ich es geschafft habe, aber ich stehe vor der Tür und schließe die Tür auf, Noah hat ihn mir gegeben.
Als ich reinkomme ist es dunkel, es riecht nach kaltem Rauch.
Ich schlurfe in Jakes Zimmer, schließe die Tür und lasse mich kraftlos in sein Bett fallen.
Wahrscheinlich träume ich nur.
Das ist alles gar nicht wahr.
Morgen werde ich aufwachen, Noah wird an der Küchebtheke lehnen und mich eindringlich ansehen. So wie immer.
Alles wird gut werden.
Ich höre eine Klospülung, scheinbar ist er doch Zuhause, aber ich bleibe einfach liegen. Die Tür öffnet sich leise.
"Patch?"
"Mhm?", gebe ich als Antwort und er öffnet die Tür etwas weiter.
"Wie schlimm ist es?"
Weiß ich darauf eine Antwort?
"Ich will mir was spritzen. So schlimm, denke ich."
Die Tür schließt sich und öffnet sich dann wieder. Ich kann Noah riechen, aber konnte seinen Duft nie näher beschreiben.
Er legt mir ein Bier auf's Bett.
"Das wird reichen."
Dann verlässt er das Zimmer wieder und schließt die Tür.

Das ist alles meine Schuld.
Wirklich alles.

Dienstag, 11. Oktober 2016

Traum

Ich streife durch einen Wald, der Mond leuchtet mir den Weg, die Sterne sehen mir stumm beim Gehen zu, ich habe meine Jacke komplett zugemacht, es ist wirklich kalt. Während ich hier so lang laufe, denke ich nach, worüber kann ich nicht sagen, es verschwimmt sofort wieder und zurück bleiben Kopfweh und Übelkeit. Tobi sitzt auf meiner rechten Schulter, Isabelle auf meiner linken, Tobi raucht und Isabelle summt leise vor sich hin.
Ich weiß nicht, warum sie so klein sind und auf meiner Schulter sitzen.
"Patch, du läufst schon seit Stunden", meint Isabelle genervt. "Mir ist kalt und ich habe Hunger!"
Schulterzuckend laufe ich weiter, was sie dazu zwingt sich an meiner Schulter festzuhalten, Tobi flucht leise vor sich hin. Etwas weiter nördlich kann ich Rauchschwaden erkennen und automatisch laufen meine Füße in diese Richtung, obwohl ich in die komplett andere gehen will. "Hoffentlich gibt es dort Tabak, meine Kippen sind leer", brummt Tobi und legt sich hin. "Ich hoffe die haben da WLAN", murrt Isa und meine Laune wird immer schlechter. "Haltet doch einfach mal für ein paar Minuten die Klappe!", blaffe ich angenervt und es wird still. Der Wald verändert sich, umso weiter ich laufe, die Blätter verwandeln sich von grün in braun, orange und gelb, die Luft verändert sich und die Rauchschwaden kommen immer näher.
Mit großen Augen bleibe ich vor dem Tempel stehen, er ist massiv und wunderschön. Zwei Statuen, die aussehen wie Hasen stehen am Eingang und ich meine, einen Fuchs gesehen zu haben, aber vielleicht geht nur wieder meine Fantasie mit mir durch. Mein Magen meldet sich knurrend, Tobi und Isabelle sind verschwunden. Ohne mir weitere Gedanken zu machen, betrete ich den Tempel, der Flur ist dunkel und ein leichter Geruch von Nikotin liegt in der Luft.
Komischerweise mache ich mir gar keine Gedanken darum, ob hier jemand wohnen könnte, das ist normalerweise überhaupt nicht meine Art, aber irgendwas scheint mich anzuziehen.
Irgendwo ertönt eine warme, tiefe und raue Stimme, der ich folge und plötzlich stehe ich in einem hellen Raum, die Schiebetüren erinnern mich an die Mangas in denen ich mich sonst immer verkrieche und als ich eine Gestalt auf einem kleinen Podest erblicke, stockt mir der Atem.
"Jake?!"
Er trägt einen dunkelblauen Yukata, sein schwarzes Haar ist lang und hängt feucht über seine Schultern und dort ist etwas entblößte Haut die mich anblitzt. Ich erkenne einen roten Kussmund auf seiner blassen Brust und merke wie ich bei seinem stählernen Blick erröte.
"Wer bist du und wer hat dir erlaubt einzutreten, du Zwerg?"
Seine ruhige Stimme hat so eine enorme Wucht, dass ich nach hinten kippe und auf meinem Hintern lande, meine Überraschung steht mir ins Gesicht geschrieben.
"Jake.. wieso trägst du dieses Ding? Und.. deine Haare sind ja total lang!", rufe ich schockiert. Seine schmalen Brauen schießen in die Höhe und ein kleiner Fuchs taucht hinter seinem Rücken auf und leckt sich die Pfote.
"Julia, hast du ihn etwa reingelassen?"
Plötzlich steht eine bildschöne, junge Frau neben ihm, ihre blonden Haare reichen ihr bis zur Taille und sie hat die selben, blauen Augen wie er. Nur runder und zarter, ihre Wimpern sind lang und ihre Figur ist anmutig. Sie trägt ebenfalls einen Yukata. Warte. Julia?!
Meine Kinnlade kippt nach unten und sie lacht verspielt.
"Der Kleine irrte ziellos durch den Wald, er tat mir leid."
Jake schnaubt und drückt die Zigarette im Aschenbecher aus, steht auf und sieht  auf mich herab, sein Blick ist eisig.
"Verschwinde", knurrt er und ich krabbel zurück, bis mein Rücken eine Wand fühlt, aber Jake hockt bereits vor mir. Wieso erkennt er mich nicht?
Ich nehme Waldgeruch und Shampoo war, seine vollen Lippen sind zu einem schmalen Stich zusammengezogen.
"Mach ihm keine Angst", murrt sie und lässt sich im Schneidersitz zu Boden fallen, sie mustert mich neugierig.
"Du bist ein Gott, den niemand kennt, dennoch kennt er deinen Namen, wundert dich das nicht?"
Jake gibt keine Antwort. Ein Gott?
Ich lache trocken auf und reibe mir über die Augen.
"Wollt ihr mich verarschen?", meine ich lachend und werde sofort still, als er mich genervt mustert.
"Woher kennst du meinen Namen?"
Ich kratze mich am Kopf.
"Ihr könnt jetzt damit aufhören, ehrlich. Wir waren mal ein Paar, du Idiot", brumme ich finster und er steht abrupt auf.
"Was erzählt dieser Kerl für eine Scheisse?!", blafft er nun sichtlich angenervt. "Was ein Volltrottel."
Dann sieht er über seine Schulter und funkelt mich wütend an.
"Nenn' mich noch einmal einen Vollidiot und ich bringe dich um."
Seine Worte klingen so ernst, dass mir Tränen in die Augen schießen. Wieso erinnert er sich denn nicht an mich?
"Jetzt ist aber wirklich schluss, du Penner!", schreie ich verletzt.
"Ich find' das nicht mehr lustig!"
Tränen der Wut laufen mir über das Gesicht und ich wische sie genervt fort, in seinem Blick hat sich etwas verändert und seine Augen werden rot, seine Haare verlieren an Länge.
Oh Gott, nein.
Sein irres Grinsen lässt mich schaudern und ich drücke mich gegen die Wand.
"Na, wen haben wir denn da?", schnurrt Jack und mein Mund ist plötzlich staubtrocken.
"J-Jack..", hauche ich und er zieht die Brauen zusammen.
"Woher kennst du meinen Namen?"
Sein Blick wird mörderisch und sein Gesicht ist meinem ganz nah, ich rieche verbrannte Haut, Asche und Tod.
"D-Du hast mich tyrannisiert", wage ich zu sagen und sein Grinsen entblößt seine spitzen Zähne.
"Du hast meinem Freund Schwierigkeiten gemacht, jetzt ist er wegen dir auf der Flucht!"
Ich recke das Kinn und er packt dieses, seine Fingernägel sind lang, seine Haut so blass, dass ich Adern erkennen kann.
"Ich hab keine Ahnung wer du bist, aber du scheinst verrückt geworden zu sein. Für dich habe ich keine Verwendung mehr."
Dann reißt er mir lachend den Kopf ab.

.. schreiend wache ich auf, die Laken sind durchnässt, mein nasses Haar klebt mir im Gesicht und vor lauter Dunkelheit kann ich nichts erkennen. Wo bin ich?! Wo ist Jack? Wo sind Julia und Jake?!
"Zwerg..?", murmelt eine leise Stimme und ich falle schreiend aus dem Bett, suche verzweifelt den Lichtschalter und stelle heulend fest, dass ein halbnackter Jake aufrecht im Bett sitzt und mich erschrocken, sowie verstört anblickt.
"Was zur Hölle ist in dich gefahren?!", fragt er erschrocken und ich fange an zu lachen, es ist viel zu hoch, viel zu schrill. Ich hatte bloß einen Albtraum, Jake hat Jack schon lange eingesperrt, er kann mir nichts mehr tun. Jakes Haare sind nicht mehr so lang wie im Tempel, dennoch hat er sie zu einem kleinen Pinsel zusammengebunden, ein paar Strähnen haben sich gelöst und ich erkenne den Schatten seines Barts. Langsam steht er auf, er trägt eine schwarze Jeanshose und hockt sich vor mich, streicht mir durchs nasse Haar und nimmt mich vorsichtig in den Arm.
"Hast du wieder schlecht geträumt?"
Ich nicke stumm und presse mich an ihn.
"Willst du darüber reden?"
Ich schüttel den Kopf.
Dann hebt er mich sanft an und trägt mich ins Bett zurück, legt sich neben mich und zieht mich an sich.
"Alles wird gut, Zwerg."
Ich drehe mich lächelnd zu ihm um und erstarre, als ich Simons Gesicht erblicke. Oder welches Gesicht auch immer, jedoch stelle ich mir Simon genauso vor.
"Was machst du hier? Du bist tot", sage ich säuerlicher als ich will.
Er setzt sich grinsend auf und fährt sich durch das blonde Haar. Ich entdecke eine Narbe auf seiner Brust und muss schlucken. Der Raum verändert sich in einen OP-Saal und ich liege auf dem Tisch, Simon trägt einen Kittel, Mundschutz und Handschuhe. "Die Ärzte erwähnten, dass du einen Herzfehler hast. Und das du eine neue Herzklappe benötigst."
Er nimmt das Skalpell in die Hand und ich will aufstehen, aber meine Hände und Füße sind gefesselt. Aber er schneidet nicht mich, sondern sich, seine Brust liegt offen und ich übergebe mich schlagartig, mein ganzer Körper fängt an zu zittern.
"Willst du meine haben?"
Ich sehe sein pumpendes Herz und ein verzweifelter, schriller Schrei kriecht meine Kehle hoch, als ich die Augen öffne, sitze ich in einem Auto.
Mein Atem gebt schnell und ich habe Mühe ihn wieder in den Griff zu kriegen.
Was zur Hölle war das?!
Ich lege meine Hände ans Steuer und beiße mir auf die Lippe. Wahrscheinlich bin ich im Auto eingeschlafen, die Scheiben sind beschlagen und ich schalte das Auto ein, damit ich wieder was sehen kann.
Ich wünsche mir, dass ich das nicht getan hätte. Auf der Motorhaube sitzen Mimi und Jake, eng umschlungen, sich küssend und die Hände von ihm sind überall an ihrem Körper. Mir dreht sich der Magen um, ich reiße die Autotür auf und finde mich im Krankenhaus wieder. Nicht nochmal das Gleiche. Aber vor mir liegt Jake, an sämtliche Maschinen angeschlossen, er hat sogar ein Beatmungsgerät.
Verzweifelt sinke ich auf den Stuhl neben seinem Bett und lasse den Kopf hängen. Was ist das für eine kranke Scheiße?!
Auf dem Nachttisch liegt ein Zettel, ich greife traurig nach ihm und fange an zu heulen.
"Falls Patch von meinem Unfall hört und herkommen will, sagt ihm, dass ich ihm nicht sehen will. Nie wieder. Das ist alles seine Schuld."
Ungläubig schüttel ich den Kopf und als ich aufstehe, steht Simon am Fenster.
"Niemand wollte, dass es dazu kommt, Patch. Wieso hast du das getan? Du solltest doch auf ihn aufpassen."
Simons Blick war tottraurig.
"Aber was habe ich getan?", hauche ich und stelle mich neben ihn ans Fenster. Es ist geöffnet und es schneit.
"Du hast ihm nichts Gutes gebracht, das ist passiert. Du hast ihn ständig verletzt und wütend gemacht. Das ist das Resultat, die Konsequenz deiner Fehler."
Danb ertönt ein lautes, eintöniges und grausames Piepen. Ärzte kommen in den Raum gestürmt und ich sehe mit weit geöffneten Augen zu, wie er mir wegstirbt. Als ich zu ihm gehen will, packt Simon mich am Arm und im nächsten Moment falle ich. 18 Stockwerke tief, dann kommt der harte Betonboden.

"PATCH!!!", brüllt Quinn verzweifelt und ich reiße schreiend die Augen auf.
"GEH NICHT WEG", brülle ich und werde von Quinn zurück in die Kissen gedrückt.
"Patch, du hast eine Panikattacke, du warst total weg! Jetzt beruhig dich bitte!", schreit er fast.
Langsam bemerke ich, dass ich in meinem Zimmer liege, in meinem Bett, hinter mir das Fenster, welches mich zu meiner Schwester führt.
"Vorhin ertönte am Fenster eine leise, weibliche Stimme, Patch. Sie klang besorgt, aber als ich versuchte es zu öffnen, passierte gar nichts. Sie fragte, warum du weinen würdest und ich antwortete ihr, dass es dir wieder besser gehen würde. Sie kannte meinen Namen."
Kätzchen. Sie hat das alles mitbekommen? Bin ich denn wirklich wach, oder träume ich immer noch?
"Geh nie wieder an dieses Fenster", knurre ich ihn dann an und er weicht etwas zurück. Mein Mund schmeckt nach Blut, ich habe mir auf die Zunge gebissen.
"Verzeih mir", murmelt er und steht auf. "Ich bin drüben, wenn du etwas brauchst."
Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass ich wirklich wach bin.
"Quinn?", flüstere ich und er dreht sich verunsichert um. "Danke.."
Auf seinem Gesicht stiehlt sich ein Lächeln und dann verlässt er das Zimmer. Zitternd sinke ich ins Bett zurück.
Bitte, lass es nicht wieder so kommen. Diese Albträume.
Ich ertrage das nicht ohne ihn.
Danach gehe ich zum Fenster und rede mit Mimi. Ich erzähle ihr alles, sie fängt stumm das Weinen an.

Montag, 10. Oktober 2016

03:23 Uhr. Viel zu spät.

Ich habe es schon wieder getan, meine Einträge gelöscht. Irgendwie mache ich das ständig, weil ich das Gefühl habe, dass es zu persönlich sei was ich hier schreibe, obwohl es doch genau dazu dient.
Aber wie auch immer, ich habe es schon wieder getan und ich will diesen Blog mit alten Erinnerungen füllen. Von früher, als alles noch grenzwertig gut war.
Wenn ich auf die Uhr sehe, wird mir schlecht. Ich weiß noch nicht Recht worüber ich genau schreiben werde, da ist ziemlich viel. Über manches will ich aber nicht mal nachdenken.
Ich vermisse ihn gerade so sehr, dass ich am überlegen bin wieder eine Geschichte anzufangen, eine die es niemals geben wird. Ich weiß ja nicht mal, ob wir überhaupt noch was haben, etwas was uns verbindet. Ob es noch Liebe ist.
Aber es wird mich glücklich machen, wenn ich wieder über uns schreiben kann.
Träume die von ihm handeln sind nicht mehr genug und seine Wohnung? Die ist meistens leer. Manchmal habe ich mich noch mit seinem Mitbewohner unterhalten, ich glaube wir sind jetzt sowas wie Freunde. Und immer wenn ich wollte, hat er mich in seinem Bett schlafen lassen. Tag ein, Tag aus. Er störte mich auch nicht wenn ich mich darin einschloss und heulte. Sein Geruch schwebte noch immer in der Luft und ich fand ein paar Zeichnungen und räumte sein Zimmer auf, manchmal war er total unordentlich gewesen. Ich hinterließ ihm Briefe, die ich am Ende wieder zerriss und wegwarf, weil ich Angst hatte, er würde sie sowieso nicht lesen.
Meine erste, wirkliche Begegnung mit ihm fand auf meinem Grundstück statt, er war durchnässt und ich traute ihm nicht. Ich lies ihn hinein und machte ihm Kaffee, an mehr kann ich mich nicht mehr erinnern und wenn ich es versuchte, bekam ich Kopfweh. Das zweite Mal war im Internet, auf einer schwachsinnigen Internetplattform, die ich schon lange nicht mehr benutze, aber manchmal lese ich seine Antworten und lächle über seine Weltansicht. Sein Buch, was er mir schickte, liegt auf meinen Schoß, ich liebe seine Schrift. Jedenfalls muss ich an dem Tag irgendwas genommen haben, denn ich schrieb irgendeine Scheisse auf die er antworte. Ich fand seine Seite zufällig und irgendwie fühlte es sich so an, als würde ich ihn kennen. Als er antwortete, war es für mich zu spät, ich hatte mich verliebt. Einfach so.
Mein Geheimnis fand er auch ziemlich schnell heraus. Ich denke es lag an den weißen Socken mit den lilanen Sternen.
Wir teilten das Gleiche Schicksal irgendwie und es dauerte wirklich nicht lange bis wir ein Paar wurden.
Dennoch blieben wir nicht lange zusammen, er verließ mich.
Ich erinnere mich vage an einen Post, dass die Mädchen es nicht betrauerten, ihn verloren zu haben, sondern sich selbst.
Bei mir war das anders. Komplett.
Denn das Schlimmste für mich war ihn zu verlieren. Ich hörte mein Herz brechen und in dem Moment war mir bewusst, dass ich wirklich eines besaß.
Ich dachte ich könnte nie wieder lieben.
Dann kam er.
Er verließ mich.
Und ich liebte niemals wieder jemand anderen. Auch heute nicht.
Er zeichnete und zeigte mir seine Bilder, ich war begeistert, denn er war immer mein großes Vorbild gewesen.
Ich weiß nicht wann es war, aber wir kamen wieder zusammen und dann hielt es für eine Ewigkeit an. Wir skypen regelmäßig und er entschuldigte sich dafür, wenn ich ihn ankackte, dass er kaum Zeit für mich hatte.
Er tat alles für mich, egal wie ich ihn behandelte. Er verließ mich niemals, auch wenn ich sagte, er solle es tun.
Er ist immer geblieben.
Unsere Streits waren enorm, voller Energie und Leidenschaft, gleichzeitig haben sie mir das Herz zerrissen. Aber keiner von uns wollte wirklich nachgeben.
Aber man spürte auch die Liebe, egal ob wir stritten oder uns gerade vertrugen.
Ich konnte mir wirklich niemanden an meiner Seite vorstellen.
Ich weiß auch gar nicht mehr, wann der Kontakt verfloss. Aus zwei Wochen wurden zwei Monate und keiner von uns realisierte das wirklich, bis meine Schwester mich darauf aufmerksam machte.
Zu dem Zeitpunkt mochte sie ihn noch nicht und äffte es immer nach, wenn er mich Zwerg nannte.
Er wies das Dunkle in ihr zurück, das Monster, welches eigentlich nur ein zorniges, kleines Mädchen war. Ich weiß bis heute nichts von ihr.
Er beschützte mich immer.
Es schien ihn zu treffen, als er hörte, dass meine Schwester Angst vor ihm hatte. Er war der Einzige der von meiner Existenz wusste und er behandelte mich wie einen Prinzen. Manchmal konnte sogar er schnulzig sein und das war gar nicht seine Art, deswegen machte es mich umso glücklicher wenn er liebe Sachen zu mir sagte. Aber unsere Beziehung musste viel aushalten, wirklich viel.
Und irgendwann, nach einer ruhigen und schönen Zeit, kam jemand anderes in mein Leben und ich dachte ich sei verliebt.
Dabei war es nur Interesse, das noch jemand so war wie wir.
Ich fühlte mich von meinem Freund unverstanden und ungeliebt. Seit längerer Zeit. Ich machte ihn dafür verantwortlich, obwohl es auch meine Schuld gewesen war.

.. dann verließ ich ihn.

Unsere gemeinsame Zeit war vorbei. Naja, wir waren Freunde, er hatte darum gebeten. Aber es war komisch.
Das mit dem anderen Typen funktionierte nicht und ich hatte das Gefühl verarscht zu werden, außerdem wuchs die Sehnsucht zu meinem Wolf immer mehr. Meine Launen waren nicht auszuhalten, ich stritt ständig mit der besten Freundin meiner Schwester und auch sie machte ich fertig, weil ich selber so unzufrieden gewesen war. Und ich fühlte mich naiv und verblödet.
Aber als er und ich telefonierten, wirkte er kühl und distanziert. Ich weinte lautlos, er bemerkte es nicht und ich war froh darüber und überdeckte es mit meinem Lachen. Manchmal glaubte ich zu spüren, dass er mich vermisste, aber wirklich ausgesprochen hatte er es nicht.
Ich hatte seine Stimme so vermisst, dass ich mein Herz wieder gefährlich knacken hörte. Es tat weh, dass er da war, aber nicht mehr mir gehörte.
Auch das Meer machte mich plötzlich traurig. Der Sand und der kalte Wind.
Jacks Besuche.
Manchmal dachte ich, dass ich wahnsinnig werden würde.
Wiedermal beschützte er mich, aber under Verhältnis wurde niemals wieder das Selbe.
Dann verschwand er. Ohne Erklärung.
So hatte es der Exfreund mit meiner Schwester gemacht.
Aber ich bekam meine Informationen dann doch, aber wir fingen an zu streiten.
Funkstille.
Es fühlte sich so an wie beim ersten Mal, als er mich verließ. Mein Herz brach diesmal nicht, es platzte.
Denn diesmal verließ er mich ohne ein Wort und ich weiß bis heute nicht, was wir noch haben. Ob wir überhaupt was haben und ob er jemals wieder mit mir reden wird.

Ich denke an Emily und Simon. Und an diese Michelle.
An das, was ich alles weiß und vergessen will.
Manchmal frage ich mich, ob Simon gerade traurig ist, ob er enttäuscht ist, wie sich das alles entwickelt hat.
Ich erinnere mich gut an die Tage, als ich eifersüchtig auf ihn war. Auf einen Toten.
Denkend, er würde ihn mir trotzdem noch wegnehmen können.
Ohne ihn war ich aufgeschmissen.
Dann fing das mit den Drogen an, ich enttäuschte meine Schwester immer wieder. Aber die Drogen ließen ihn mich sehen, mit ihm sprechen. Im Endeffekt habe ich mich nur selber verloren. Wie die Mädchen von mir.
Aber das macht nichts. Das tut nicht weh. Sein Verlust schon.
Von den Drogen bin ich weg, er sitzt nicht mehr zufällig neben mir im Bett und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Er liegt nicht mehr verschlafen neben mir und wünscht mir mit rauer Stimme einen guten Morgen. Ich kann ihn nicht mehr nackt unter der Dusche betrachten, während er den Rücken zu mir gewandt hat.
Er folgt mir auch nicht mehr zum Rauchen auf den Balkon. Ich drehe schon lange nicht mehr, das erinnert mich nur an ihn.
Ich sehe ihn nicht mehr zeichnen.
Ich schlafe aber viel, weil es mir erlaubt ist von ihm zu träumen.
Manchmal sehen wir uns nur schweigend an.
Manchmal haben wir Sex und ich wache schweißgebadet und um Luft ringend auf und drücke mir schreiend ein Kissen ins Gesicht. Manchmal kuscheln wir und reden unbeschwert über vergangene Tage.
Oder wir lachen.
Wenn ich schlafe, bin ich glücklich.
Mein Mitbewohner ist krank vor Sorge, aber er lässt mich in Ruhe, wahrscheinlich hat er Angst, dass ich ihm sonst was antue, aber wie war das?
Ich bin so gefährlich wie ein Goldfisch.
Wenn ich wach bin, rauche ich mir die Lunge wund und betrinke mich. Ich gehe nicht duschen und trage eine Woche lang die selben Klamotten, bis man mich förmlich dazu zwingt was dagegen zu unternehmen.
Meine Haare sind inzwischen Schulterlang, ich sehe aus wie ein Mädchen mit A-Cup.
Ich erkenne mich nicht wieder.
Und ich kann die Schuld nicht mal auf jemand anderen abladen.
Hätte ich ihn besser behandelt, wäre alles vielleicht anders gekommen.
Hätte ich ihn nicht so oft gezwungen da zu sein, wäre das vielleicht nicht passiert.
Schuldgefühle plagen mich.
Ich will mich für unseren letzten Streit entschuldigen. Und für jeden Fehler, den ich davor begangen habe.
Für jedes Mal, als ich ihn angebrüllt habe, er soll sich verpissen.
Ich will ihm am Telefon sagen, dass ich ihn vermisse. Ihn liebe.
Es würde sich vielleicht nichts ändern und meine Schuldgefühle würden nicht verschwinden, aber ich hätte meine Gefühle ausgesprochen.
Auch wenn ich mir bei dem Gedanken schon blöd vorkomme. Aber Liebe macht einen zu 'nem Narr.
Und ich bin total vernarrt in ihn.