Dienstag, 11. Oktober 2016

Traum

Ich streife durch einen Wald, der Mond leuchtet mir den Weg, die Sterne sehen mir stumm beim Gehen zu, ich habe meine Jacke komplett zugemacht, es ist wirklich kalt. Während ich hier so lang laufe, denke ich nach, worüber kann ich nicht sagen, es verschwimmt sofort wieder und zurück bleiben Kopfweh und Übelkeit. Tobi sitzt auf meiner rechten Schulter, Isabelle auf meiner linken, Tobi raucht und Isabelle summt leise vor sich hin.
Ich weiß nicht, warum sie so klein sind und auf meiner Schulter sitzen.
"Patch, du läufst schon seit Stunden", meint Isabelle genervt. "Mir ist kalt und ich habe Hunger!"
Schulterzuckend laufe ich weiter, was sie dazu zwingt sich an meiner Schulter festzuhalten, Tobi flucht leise vor sich hin. Etwas weiter nördlich kann ich Rauchschwaden erkennen und automatisch laufen meine Füße in diese Richtung, obwohl ich in die komplett andere gehen will. "Hoffentlich gibt es dort Tabak, meine Kippen sind leer", brummt Tobi und legt sich hin. "Ich hoffe die haben da WLAN", murrt Isa und meine Laune wird immer schlechter. "Haltet doch einfach mal für ein paar Minuten die Klappe!", blaffe ich angenervt und es wird still. Der Wald verändert sich, umso weiter ich laufe, die Blätter verwandeln sich von grün in braun, orange und gelb, die Luft verändert sich und die Rauchschwaden kommen immer näher.
Mit großen Augen bleibe ich vor dem Tempel stehen, er ist massiv und wunderschön. Zwei Statuen, die aussehen wie Hasen stehen am Eingang und ich meine, einen Fuchs gesehen zu haben, aber vielleicht geht nur wieder meine Fantasie mit mir durch. Mein Magen meldet sich knurrend, Tobi und Isabelle sind verschwunden. Ohne mir weitere Gedanken zu machen, betrete ich den Tempel, der Flur ist dunkel und ein leichter Geruch von Nikotin liegt in der Luft.
Komischerweise mache ich mir gar keine Gedanken darum, ob hier jemand wohnen könnte, das ist normalerweise überhaupt nicht meine Art, aber irgendwas scheint mich anzuziehen.
Irgendwo ertönt eine warme, tiefe und raue Stimme, der ich folge und plötzlich stehe ich in einem hellen Raum, die Schiebetüren erinnern mich an die Mangas in denen ich mich sonst immer verkrieche und als ich eine Gestalt auf einem kleinen Podest erblicke, stockt mir der Atem.
"Jake?!"
Er trägt einen dunkelblauen Yukata, sein schwarzes Haar ist lang und hängt feucht über seine Schultern und dort ist etwas entblößte Haut die mich anblitzt. Ich erkenne einen roten Kussmund auf seiner blassen Brust und merke wie ich bei seinem stählernen Blick erröte.
"Wer bist du und wer hat dir erlaubt einzutreten, du Zwerg?"
Seine ruhige Stimme hat so eine enorme Wucht, dass ich nach hinten kippe und auf meinem Hintern lande, meine Überraschung steht mir ins Gesicht geschrieben.
"Jake.. wieso trägst du dieses Ding? Und.. deine Haare sind ja total lang!", rufe ich schockiert. Seine schmalen Brauen schießen in die Höhe und ein kleiner Fuchs taucht hinter seinem Rücken auf und leckt sich die Pfote.
"Julia, hast du ihn etwa reingelassen?"
Plötzlich steht eine bildschöne, junge Frau neben ihm, ihre blonden Haare reichen ihr bis zur Taille und sie hat die selben, blauen Augen wie er. Nur runder und zarter, ihre Wimpern sind lang und ihre Figur ist anmutig. Sie trägt ebenfalls einen Yukata. Warte. Julia?!
Meine Kinnlade kippt nach unten und sie lacht verspielt.
"Der Kleine irrte ziellos durch den Wald, er tat mir leid."
Jake schnaubt und drückt die Zigarette im Aschenbecher aus, steht auf und sieht  auf mich herab, sein Blick ist eisig.
"Verschwinde", knurrt er und ich krabbel zurück, bis mein Rücken eine Wand fühlt, aber Jake hockt bereits vor mir. Wieso erkennt er mich nicht?
Ich nehme Waldgeruch und Shampoo war, seine vollen Lippen sind zu einem schmalen Stich zusammengezogen.
"Mach ihm keine Angst", murrt sie und lässt sich im Schneidersitz zu Boden fallen, sie mustert mich neugierig.
"Du bist ein Gott, den niemand kennt, dennoch kennt er deinen Namen, wundert dich das nicht?"
Jake gibt keine Antwort. Ein Gott?
Ich lache trocken auf und reibe mir über die Augen.
"Wollt ihr mich verarschen?", meine ich lachend und werde sofort still, als er mich genervt mustert.
"Woher kennst du meinen Namen?"
Ich kratze mich am Kopf.
"Ihr könnt jetzt damit aufhören, ehrlich. Wir waren mal ein Paar, du Idiot", brumme ich finster und er steht abrupt auf.
"Was erzählt dieser Kerl für eine Scheisse?!", blafft er nun sichtlich angenervt. "Was ein Volltrottel."
Dann sieht er über seine Schulter und funkelt mich wütend an.
"Nenn' mich noch einmal einen Vollidiot und ich bringe dich um."
Seine Worte klingen so ernst, dass mir Tränen in die Augen schießen. Wieso erinnert er sich denn nicht an mich?
"Jetzt ist aber wirklich schluss, du Penner!", schreie ich verletzt.
"Ich find' das nicht mehr lustig!"
Tränen der Wut laufen mir über das Gesicht und ich wische sie genervt fort, in seinem Blick hat sich etwas verändert und seine Augen werden rot, seine Haare verlieren an Länge.
Oh Gott, nein.
Sein irres Grinsen lässt mich schaudern und ich drücke mich gegen die Wand.
"Na, wen haben wir denn da?", schnurrt Jack und mein Mund ist plötzlich staubtrocken.
"J-Jack..", hauche ich und er zieht die Brauen zusammen.
"Woher kennst du meinen Namen?"
Sein Blick wird mörderisch und sein Gesicht ist meinem ganz nah, ich rieche verbrannte Haut, Asche und Tod.
"D-Du hast mich tyrannisiert", wage ich zu sagen und sein Grinsen entblößt seine spitzen Zähne.
"Du hast meinem Freund Schwierigkeiten gemacht, jetzt ist er wegen dir auf der Flucht!"
Ich recke das Kinn und er packt dieses, seine Fingernägel sind lang, seine Haut so blass, dass ich Adern erkennen kann.
"Ich hab keine Ahnung wer du bist, aber du scheinst verrückt geworden zu sein. Für dich habe ich keine Verwendung mehr."
Dann reißt er mir lachend den Kopf ab.

.. schreiend wache ich auf, die Laken sind durchnässt, mein nasses Haar klebt mir im Gesicht und vor lauter Dunkelheit kann ich nichts erkennen. Wo bin ich?! Wo ist Jack? Wo sind Julia und Jake?!
"Zwerg..?", murmelt eine leise Stimme und ich falle schreiend aus dem Bett, suche verzweifelt den Lichtschalter und stelle heulend fest, dass ein halbnackter Jake aufrecht im Bett sitzt und mich erschrocken, sowie verstört anblickt.
"Was zur Hölle ist in dich gefahren?!", fragt er erschrocken und ich fange an zu lachen, es ist viel zu hoch, viel zu schrill. Ich hatte bloß einen Albtraum, Jake hat Jack schon lange eingesperrt, er kann mir nichts mehr tun. Jakes Haare sind nicht mehr so lang wie im Tempel, dennoch hat er sie zu einem kleinen Pinsel zusammengebunden, ein paar Strähnen haben sich gelöst und ich erkenne den Schatten seines Barts. Langsam steht er auf, er trägt eine schwarze Jeanshose und hockt sich vor mich, streicht mir durchs nasse Haar und nimmt mich vorsichtig in den Arm.
"Hast du wieder schlecht geträumt?"
Ich nicke stumm und presse mich an ihn.
"Willst du darüber reden?"
Ich schüttel den Kopf.
Dann hebt er mich sanft an und trägt mich ins Bett zurück, legt sich neben mich und zieht mich an sich.
"Alles wird gut, Zwerg."
Ich drehe mich lächelnd zu ihm um und erstarre, als ich Simons Gesicht erblicke. Oder welches Gesicht auch immer, jedoch stelle ich mir Simon genauso vor.
"Was machst du hier? Du bist tot", sage ich säuerlicher als ich will.
Er setzt sich grinsend auf und fährt sich durch das blonde Haar. Ich entdecke eine Narbe auf seiner Brust und muss schlucken. Der Raum verändert sich in einen OP-Saal und ich liege auf dem Tisch, Simon trägt einen Kittel, Mundschutz und Handschuhe. "Die Ärzte erwähnten, dass du einen Herzfehler hast. Und das du eine neue Herzklappe benötigst."
Er nimmt das Skalpell in die Hand und ich will aufstehen, aber meine Hände und Füße sind gefesselt. Aber er schneidet nicht mich, sondern sich, seine Brust liegt offen und ich übergebe mich schlagartig, mein ganzer Körper fängt an zu zittern.
"Willst du meine haben?"
Ich sehe sein pumpendes Herz und ein verzweifelter, schriller Schrei kriecht meine Kehle hoch, als ich die Augen öffne, sitze ich in einem Auto.
Mein Atem gebt schnell und ich habe Mühe ihn wieder in den Griff zu kriegen.
Was zur Hölle war das?!
Ich lege meine Hände ans Steuer und beiße mir auf die Lippe. Wahrscheinlich bin ich im Auto eingeschlafen, die Scheiben sind beschlagen und ich schalte das Auto ein, damit ich wieder was sehen kann.
Ich wünsche mir, dass ich das nicht getan hätte. Auf der Motorhaube sitzen Mimi und Jake, eng umschlungen, sich küssend und die Hände von ihm sind überall an ihrem Körper. Mir dreht sich der Magen um, ich reiße die Autotür auf und finde mich im Krankenhaus wieder. Nicht nochmal das Gleiche. Aber vor mir liegt Jake, an sämtliche Maschinen angeschlossen, er hat sogar ein Beatmungsgerät.
Verzweifelt sinke ich auf den Stuhl neben seinem Bett und lasse den Kopf hängen. Was ist das für eine kranke Scheiße?!
Auf dem Nachttisch liegt ein Zettel, ich greife traurig nach ihm und fange an zu heulen.
"Falls Patch von meinem Unfall hört und herkommen will, sagt ihm, dass ich ihm nicht sehen will. Nie wieder. Das ist alles seine Schuld."
Ungläubig schüttel ich den Kopf und als ich aufstehe, steht Simon am Fenster.
"Niemand wollte, dass es dazu kommt, Patch. Wieso hast du das getan? Du solltest doch auf ihn aufpassen."
Simons Blick war tottraurig.
"Aber was habe ich getan?", hauche ich und stelle mich neben ihn ans Fenster. Es ist geöffnet und es schneit.
"Du hast ihm nichts Gutes gebracht, das ist passiert. Du hast ihn ständig verletzt und wütend gemacht. Das ist das Resultat, die Konsequenz deiner Fehler."
Danb ertönt ein lautes, eintöniges und grausames Piepen. Ärzte kommen in den Raum gestürmt und ich sehe mit weit geöffneten Augen zu, wie er mir wegstirbt. Als ich zu ihm gehen will, packt Simon mich am Arm und im nächsten Moment falle ich. 18 Stockwerke tief, dann kommt der harte Betonboden.

"PATCH!!!", brüllt Quinn verzweifelt und ich reiße schreiend die Augen auf.
"GEH NICHT WEG", brülle ich und werde von Quinn zurück in die Kissen gedrückt.
"Patch, du hast eine Panikattacke, du warst total weg! Jetzt beruhig dich bitte!", schreit er fast.
Langsam bemerke ich, dass ich in meinem Zimmer liege, in meinem Bett, hinter mir das Fenster, welches mich zu meiner Schwester führt.
"Vorhin ertönte am Fenster eine leise, weibliche Stimme, Patch. Sie klang besorgt, aber als ich versuchte es zu öffnen, passierte gar nichts. Sie fragte, warum du weinen würdest und ich antwortete ihr, dass es dir wieder besser gehen würde. Sie kannte meinen Namen."
Kätzchen. Sie hat das alles mitbekommen? Bin ich denn wirklich wach, oder träume ich immer noch?
"Geh nie wieder an dieses Fenster", knurre ich ihn dann an und er weicht etwas zurück. Mein Mund schmeckt nach Blut, ich habe mir auf die Zunge gebissen.
"Verzeih mir", murmelt er und steht auf. "Ich bin drüben, wenn du etwas brauchst."
Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass ich wirklich wach bin.
"Quinn?", flüstere ich und er dreht sich verunsichert um. "Danke.."
Auf seinem Gesicht stiehlt sich ein Lächeln und dann verlässt er das Zimmer. Zitternd sinke ich ins Bett zurück.
Bitte, lass es nicht wieder so kommen. Diese Albträume.
Ich ertrage das nicht ohne ihn.
Danach gehe ich zum Fenster und rede mit Mimi. Ich erzähle ihr alles, sie fängt stumm das Weinen an.

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