Donnerstag, 13. Oktober 2016

Nennt sich das Realität?

Ich fühle mich das erste Mal seit langem wieder richtig entspannt, die Albträume haben sich nicht wiederholt, ich habe kein Kopfweh mehr und mir ist auch nicht mehr übel. Quinn und ich sitzen auf einer Decke am See, die Winterjacken angezogen, mit Kaffee in der Hand.
"Ihr habt also geredet..", meint er leise und ich höre Erleichterung und Trauer aus seiner Stimme heraus.
"J-Ja", stammel ich und spiele mit meinen kalten Händen, nachdem ich die Tasse beiseite gestellt habe.
Mein Gesicht hat wieder Farbe, ich habe mir die Haare schneiden lassen und vernünftige Klamotten angezogen, ich gehe wieder joggen und verlasse regelmäßig mein Zimmer.
Quinn merkt, dass ich wieder für mich alleine Sorgen kann.
"Das freut mich."
Aus dem Augenwinkel sehe ich seine dunklen Augenringe, seine blasse Haut und seine müden Augen, ich sollte ihn fortschicken. Zurück nach Hause. Ich will ihn nicht verletzen.
"Quinn, hör zu-"
Er hebt die Hand und unterbricht mich.
"Lass mich zuerst", murmelt er.
"Weißt du.. ich habe diese Zeit mit dir echt genossen, wir haben viele Momente miteinander geteilt und auch so viel Spaß gehabt.."
Oh nein.
"Aber.. mir geht es nicht gut. Ich habe mich um dich gekümmert. Ich habe alles für dich getan und du bist so verflucht undankbar. Du hast ständig nur über dich und Jake gesprochen, du hast nur deinen Kummer gesehen, alles andere war egal."
Wieso tut mir mein Herz so weh?
"Deswegen wäre es besser, wenn ich gehe. Ich ertrage diese Situation nicht. Ich ertrage dich nicht."
Diese Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht und meine Augen weiten sich, als sich seine Hand auflöst.
"Qu-Quinn!", rufe ich panisch und springe auf. Er lächelt nur kühl.
"Sieh, was du angerichtet hast."

.. dann ist er verschwunden. Einfach so. Mein Herz rast, meine Ohren rauschen und ich höre ein verächtliches Lachen.
Bitte nicht. Nicht schon wieder.
Wie ein Irrer sehe ich mich um, aber ich entdecke niemanden.
"Du wirst sie alle verlieren. Alle, Patch."
Das ist Jacks Stimme, aber das kann nicht sein, er kann nicht hier sein, Jake hat gesagt er würde schlafen.
"Ich bin überall und nirgendwo. Du wirst mich nicht los."

.. schreiend wache ich auf. Meine Brust hebt und senkt sich schnell. Es hat nicht aufgehört. Es wird eher immer schlimmer.
"QUINN!", brülle ich, springe aus dem Bett und reiße meine Zimmertür auf, renne durch den langen Flur in das Zimmer welches ich ihm zur Verfügung gestellt habe und poltere gegen seine Tür.
"Quinn!", schreie ich und sinke an der Tür hinab, rappel mich wieder auf und schalte das Licht ein.
Ich entdecke einen Haarschopf und trete langsam näher, neben seinem Bett liegt ein Brief auf dem Boden. Ich kann kaum atmen.
"Quinn!", zische ich. Keine Reaktion.
Nervös hebe ich den Brief auf.

Patch.
Wahrscheinlich bin ich ein Egoist geworden. Ich habe gehört, dass du dich mit Jake vertragen hast, nach eurem Gespräch sahst du wirklich glücklich aus.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, aber all die Monate, ich habe kein ehrliches Lächeln von dir bekommen.
Jake sagt nur ein Wort und für dich ist die Welt wieder in Ordnung. Ich habe es dir nicht übel genommen, dass du nie nach meinem Wohlergehen gefragt hast, für mich war das okay.
Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich dadurch zu verlieren.
Du würdest mich nicht mehr brauchen.
Du hast ja ihn, mehr brauchst du nicht. Wahrscheinlich hättest du dich irgendwann umgebracht, hättet ihr nicht wieder zueinander gefunden. Auch das hätte ich nicht ertragen.
Ich habe keine Familie zu der ich zurückkehren könnte, ich hatte nur dich.
Und du hattest ihn.
Und bevor ich verlassen werde, verlasse ich lieber dich.
Ich war sowieso krank. Kaputtes Herz, kaputte Leber. Ich musste jeden Tag Tabletten nehmen. Wahrscheinlich ist dir auch das entgangen.
Naja. Jedenfalls wünsche ich dir noch viel Glück. Bitte streitet nicht mehr. Ich werde dich nicht noch mal retten können, Patch. Da musst du jetzt alleine durch.
Ich habe dich wirklich sehr geliebt.
Aber mein Kampf ist jetzt zu Ende.

Quinn.

Kurzschluss.
Der Rest passiert wie in Trance. Wie ich nach meiner Jacke greife, meine Schlüssel nehme und die Tür hinter mir schließe.
Abfackeln sollte ich dieses Haus. Es bringt mir nichts als Unglück.
Dennoch drehe ich mich auf wackligen Beinen um und begebe mich auf den Weg zu Noah.
Alles rauscht an mir vorbei.
Ich zwinge mich weiter zu gehen.
Und keine Ahnung wie ich es geschafft habe, aber ich stehe vor der Tür und schließe die Tür auf, Noah hat ihn mir gegeben.
Als ich reinkomme ist es dunkel, es riecht nach kaltem Rauch.
Ich schlurfe in Jakes Zimmer, schließe die Tür und lasse mich kraftlos in sein Bett fallen.
Wahrscheinlich träume ich nur.
Das ist alles gar nicht wahr.
Morgen werde ich aufwachen, Noah wird an der Küchebtheke lehnen und mich eindringlich ansehen. So wie immer.
Alles wird gut werden.
Ich höre eine Klospülung, scheinbar ist er doch Zuhause, aber ich bleibe einfach liegen. Die Tür öffnet sich leise.
"Patch?"
"Mhm?", gebe ich als Antwort und er öffnet die Tür etwas weiter.
"Wie schlimm ist es?"
Weiß ich darauf eine Antwort?
"Ich will mir was spritzen. So schlimm, denke ich."
Die Tür schließt sich und öffnet sich dann wieder. Ich kann Noah riechen, aber konnte seinen Duft nie näher beschreiben.
Er legt mir ein Bier auf's Bett.
"Das wird reichen."
Dann verlässt er das Zimmer wieder und schließt die Tür.

Das ist alles meine Schuld.
Wirklich alles.

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